Dieses mal kannte ich die Prozedur schon. Eine Woche vor dem vereinbarten Geburtstermin wurde Alles mit dem Arzt besprochen, wir schmunzelten über meine Todesängste beim letzten Kaiserschnitt und meine vielen Abschiedsbriefe, die ich damals am Vorabend schrieb. Jetzt war ich viel ruhiger. Ich wusste, dass ich statistisch gesehen eher im Auto auf der Fahrt ins Krankenhaus sterben würde als im OP und sparte mir daher die Horrorszenarien von einsam aufwachsenden Kindern ohne die Liebe einer echten Mama. (Schon bei dem Gedanken daran, kommen mir immer die Tränen!)
Emotional hatte ich mich und mein Baby auf diesen Tag gut vorbereitet. Mit meiner „Maria für Alles“ leistete ich gute Vorarbeit. (Eigentlich meine Physiotherapeutin, die aber auch craniosacrale Behandlungen macht, ein Studium zur Gehirnforschung absolviert hat und viele Mamas und Kinder auf ihrem Weg begleitet. Irgendwie ist sie auch meine Psychologin – also einfach eine Wohltat für Körper und Geist.) Wir sprachen viel über Ängste – auch über die Angst vor dem eigenen Tod – und ich vermittelte meinem Baby schon im Bauch, dass dies einfach unser Weg sei.
„Das ist Dein spezieller Weg ins Leben!
Diese Ängste betreffen nur mich!
Für Dich ist alles gut und in Ordnung kleines Baby!“
Wie es als Großfamilienmama eben so ist, hatte ich am Tag der OP sehr viel um die Ohren und eine extralange Hausübung verbunden mit einer enormen Unlust des Sohnemanns führten dazu, dass ich am späten Nachmittag sogar etwas zu spät zum „Check-In“ ins Krankenhaus raste. Mit drei Kindern, einem nervösen Ehemann und einem Riesenkoffer – ausreichend für eine Weltreise (immerhin mussten da ja Geschenke für drei große Geschwister rein passen) – stürmten wir also auf die Station, die wir von den anderen drei Geburten schon so gut kannten. Die Schwestern, Anästhesisten, Hebammen und Ärzte nahmen uns durch die Verzögerung natürlich gleich mit diversen Formularen und Untersuchungen in Beschlag und die Kids zerlegten in der Zwischenzeit fast das ganze Krankenzimmer bis sie von einer netten Schwester ein Abendessen spendiert bekamen. Wie immer bei uns war es laut, lustig und turbulent. Doch dann kam der Abschied – ich und zwei von drei Kids weinten – Drama pur! Ich konnte mich aber wieder schnell sammeln und verbrachte den Abend (nach meinem CTG) am Lap Top mit diversen Erledigungen. Schlafen konnte ich dennoch kaum.
Um 06:00 Uhr wurde ich geweckt, durfte noch schnell duschen und musste dann schon in den OP-Kittel schlüpfen. Ein Zugang wurde gelegt und ich bekam eine Infusion. Es wurde jetzt also ernst und die Nervosität stieg. Um 07:00 Uhr kam endlich mein Mann, der vorher noch die Kinder an die Oma übergeben hatte. Endlich war mein Fels in der Brandung da. Von da an lief es irgendwie wie am Schnürchen. Ich bekam meine Wunschhebamme (nicht sehr wichtig beim Kaiserschnitt, aber trotzdem nett), die auch gleich noch mal unseren Kinderarzt kontaktierte, der auch gleich fix zusagte. Juhu! Ich durfte dann – natürlich bewaffnet mit meinem roten Handtuch, in das jedes meiner Kinder gleich nach der Geburt gewickelt wurde – selbst in den Vorraum des OP’s spazieren und wurde nicht wie sonst im Bett hingefahren. Für Kreislauf, Wohlbefinden und Sodbrennen eine echte Wohltat. Noch eine Neuerung seit dem 3. Kaiserschnitt > bevor es in den OP ging, gab es noch einen Saft gegen das Aufstoßen der Magensäure. Yessss – noch eine Sorge weniger – hatte ich doch beim 3. Kaiserschnitt noch am OP-Tisch gekotzt, weil ich gefühlt einen Liter Magensäure im Mund hatte. Ein leckerer Cocktail war es geschmacklich natürlich nicht, aber wenns hilft – na gut.
Dann wurden wir getrennt und tatsächlich wendete sich für mich kurzzeitig das Blatt. Während mein Mann in einer Schleuse vorbereitet wurde, wurde ich – noch gut gelaunt – in den OP geschoben und mein Rücken wurde für die Spinalanästhesie vorbereitet. Gewohnter Ablauf – locker lassen – Füße baumeln nach unten – Schultern fest nach unten – und los! Dieses Mal ging die Nadel aber wohl nicht so einfach rein und ich spürte dieses „Gestochere“ in meinem Rücken sehr stark und für mich eine halbe Ewigkeit. Plötzlich wurde mir schwarz vor Augen und eine gigantische Übelkeit überfiel mich. Das OP-Team reagierte sehr schnell, lagerte meine Füße hoch und schon konnte es weitergehen mit dem „Gestochere“. Ich biss die Zähne zusammen, aber so ganz erholte ich mich nicht mehr davon. Die Betäubung wirkte dann sofort gut und das Team um mich legte so richtig los. Für mich war das in dem Moment vermutlich zu viel auf einmal: Ein Pfleger legte meine betäubten Beine nach oben, die Hebamme legte den Katheter, links bekam ich wieder irgendeine Infusion angehängt und rechts den Fingerclip für die Vitalfunktionen. Hinter mir stellte ein Pfleger das Kopfteil höher und als ich dann auch noch eine Sauerstoffmaske aufs Gesicht bekam, sah ich plötzlich rot. Zum ersten mal in meinem Leben hatte ich eine richtige Panikattacke. Ich schrie, fuchtelte panisch herum und mir wurde kotzübel. Alles drehte sich – es war schrecklich. Ich wusste, dass ich da durch musste, konnte mich aber einfach nicht mehr selbst beruhigen. Erst als ich meinen Gynäkologen neben mir sah, wurde ich eher weinerlich und ich rief ihm verzweifelt zu: „Ich schaffe das dieses mal nicht!“ Er sagte ganz ruhig, dass das kein Problem wäre und wenn es nicht ginge, bekäme ich ganz schnell eine Vollnarkose. Und plötzlich konnte ich wieder klarer denken: Weglaufen war keine Option und im Tiefschlaf zu liegen während andere MEIN Baby umsorgten auch nicht! Also hieß es: Augen zu und durch!
Endlich durfte mein Mann zu mir und es ging los. Ein Ruckeln, ein Wackeln, ein großer Mann, der so fest von oben auf meinen Bauch drückte, dass mir die Luft wegblieb und dann dieser magische Moment, als mein Arzt dieses wundervolle Wesen über den Trennvorhang (zwischen mir und meinem Bauch) hob und sagte: „Da haben wirs ja!“ Und ich war schon so gespannt und neugierig, dass ich tatsächlich – ganz oberflächlich – zuerst nach dem Geschlecht fragte: „Was haben wir denn bekommen?“ „Ein Mäderl!“ war die Antwort. Da ich so extrem auf einen Bub eingestellt war, musste ich das erst einmal kurz sacken lassen. Und dann endlich durfte ich sie halten. Ich hatte panische Angst sie fallen zu lassen, weil ich ja noch halbgelähmt am OP-Tisch lag. Aber wir hatten ja den frisch gebackenen 4-fach Papa bei uns, der schützend seine Arme um uns beide legte.
Liebe Zuckerpuppe – Du lagst in meinen Armen und hast kurz geweint. Ich durfte erstmals Deine zarten Wangen streicheln und küssen und Dir ins Ohr flüstern, dass Du jetzt und für immer bei Deiner Mama bist! Du wurdest ganz ruhig und hast nicht mehr geweint. Auf einen Schlag waren wir miteinander verbunden und verspürten tiefstes Vertrauen zueinander. Ja – ich glaube wir beide empfanden das so! Auf einen Schlag war der letzte Platz in meinem Herzen gefüllt mit der unendlich großen Liebe zu Dir! Jegliche Panik war verschwunden – kitschig aber wahr – übrig blieb nur noch das pure Glück!!!
PS: Die ersten Tage nach der Geburt bedürfen eines eigenen Berichtes, der – je nach Laune meiner Kids – hoffentlich bald folgt.